Die digitale Entwicklung geht nach wie vor in Riesenschritten voran, das spürt man in Videogames immer am deutlichsten und multimedialsten. Durch 3D, Virtual Reality, Augmented Reality und andere Technologien werden virtuelle Spielerlebnisse immer intensiver und erschließen neue Welten.
Doch keine Entwicklung ohne Retro. Während digitale Spiele sich unentwegt neu erfinden und den Blick in die Zukunft richten, erleben analoge Spiele seit ein paar Jahren ein sagenhaftes Revival. Die Rede ist von den guten alten Brettspielen, Kartenspielen und Würfelspielen. Klassiker wie Monopoly, Schach, Kniffel und Mensch ärgere dich nicht werden wieder gerne verschenkt oder aus dem Schrank herausgekramt. Gleichzeitig erscheinen jährlich Tausende von neuen Spielen; präsentiert und zum Verkauf angeboten werden sie zum Beispiel auf der Messe SPIEL in Essen. Das viertägige Event empfängt mittlerweile jedes Mal über 200.000 Besucher. Kein Wunder, dass inzwischen auch Anleger die Branche für sich entdecken und nach Möglichkeiten Ausschau halten, Vermögen aufzubauen.
Kurios ist es dann geradezu, wenn der analoge Retro-Spiel-Trend dann wiederum einen Richtungswechsel erfährt – so landen erfolgreiche Spiele doch wieder im Software-Format. Digitale Versionen von Brettspielen bilden das reale Spielmaterial – also Spielbretter, Karten, Würfel, Figuren und alle erdenkliche Arten von Markern – virtuell nach und erstellen Bildschirmversionen, die, so der Anspruch, das analoge Spielgefühl wiedergeben sollen.
So kam es etwa, dass das Zivilisationsaufbauspiel „Through the Ages“, das 2006 mit einer fast unüberschaubaren Fülle an Packungsinhalt auf den Markt kam und bis heute Kultstatus innehat, im Jahre 2018 als App veröffentlich wurde. Obwohl es vergleichbare Aufbauspiele auch im Sektor Videospiele bereits gibt, wo sie vollgepackt mit Animationen und 3D-Effekten alle technischen Möglichkeiten ausloten, behält das digitale „Through the Ages“ das Layout des Originals bei. Nur sind hier die Kartenstapel und Spielertableaus virtuell anstatt zum Anfassen.
Liest man Kundenrezensionen zu digitalen Brettspielen, scheint der Faktor des Spielgefühls, das möglichst nahe an das analoge Vorbild herankommen soll, eine entscheidende Rolle zu spielen. Die Gründe, eine virtuelle Version zu spielen, sind vielfältig: Die meisten Digitalfassungen stellen einen Computergegner zur Verfügung, sodass der Spieler nicht auf reale Mitstreiter angewiesen ist. Wer dennoch menschliche Mitspieler bevorzugt, findet in den Games oft eine Multiplayer-Funktion. Mit ihr kann man online gegen andere Personen antreten, selbst wenn es sich um Unbekannte handelt, die sich an einem völlig anderen Ort aufhalten.
Hinzu kommt, dass moderne Brettspiele oft so komplex sind, dass man mit dem echten Spiel gelegentlich Fehler macht. Man vergisst, eine Figur weiter zu rücken oder bringt eine Abfolge von Aktionen durcheinander. Steuert eine Software diese Prozesse, kann man sich auf die exakte Ausführung aller Schritte verlassen.
Nicht zu missachten ist auch, dass umfangreiche Brettspiel-Neuerscheinung nicht selten 60 Euro und mehr kosten. Die Ursache sind hohe Produktionskosten; einige Schwergewichte bringen es nämlich auf ein paar Kilo Spielmaterial pro Packung. In App-Form kann man das gleiche Spiel erst einmal testen, und zwar zu einem (in der Regel) deutlich günstigeren Preis. Sagt es einem zu, kann man immer noch das physische Spiel nachkaufen.
Online-Plattformen wie Tabletopia bieten Spielentwicklern gar die Chance, ihre Ideen zunächst im digitalen Format testen zu lassen. Die Spieler loggen sich ein und nutzen statt ihrer Hände einfach Tasten und Computermaus, um zu würfeln, Karten aufzudecken und Figuren zu bewegen.